Die Weihnachtsfreude

In diesem Jahr musste Reni sparen. Als alleinerziehende Mutter mit drei kleinen Kindern war alles viel schwieriger. Immerhin hatte sie einen kleinen Job im Supermarkt. Von 20 Uhr bis 22 Uhr räumte sie Regale ein. Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit wurde unglaublich viel gekauft. Noch vor einem Jahr brauchte sie sich keine Gedanken zu machen, wie lang ein Monat ist. Wie schnell sie das Leben ändert, dachte sie traurig.

Eine Nachbarin kümmerte sich um Marie, Johann und die kleine Mia. Die ältere Frau Gruber war alleinstehend und hatte sich angeboten. Sie war einsam und die kleine Familie brachte etwas Licht in ihr Leben.

Die Kinder freuten sich auf Weihnachten und erkannten die Tragweite noch nicht. Sie warteten auf den Nikolaus und auf den Weihnachtsmann. Wenn sie mit den Kindern durch die festlich erleuchtete Fußgängerzone ging, strahlten die Kinderaugen. Die Schaufenster der Geschäfte blitzten und blinkten. Die Auslagen des größtes Kaufhauses der Stadt zeigten bewegliche Steifftiere. Da wurde gebacken und ausgepackt. Die Kinder drückten sich die Nasen am Schaufenster platt.

Peter, ihr Ex, hatte sich neu orientiert. Er hatte Frau und Familie abgestreift, wollte noch einmal von vorn beginnen. Der schmale Unterhalt, das Kindergeld und die paar Euros vom Amt reichten kaum aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten.

Im neuen Jahr würde sie sich Putzstellen suchen. Marie und Johann gingen in den Kindergarten und vielleicht konnte sie Mia mitnehmen.

Während sie die Regale aufpolierte, purzelten die Gedanken durcheinander. Natürlich hatten die Kleinen große Wünsche, doch mit ihrem schmalen Geldbeutel waren sie nicht erfüllbar. Für jedes Kind eine Kleinigkeit und hoffentlich war die Enttäuschung nicht zu groß.

Jeden Morgen öffneten die Kinder ein weiteres Türchen ihres Adventskalenders und erfreuten sich an den bunten Bildchen, die die Wartezeit verkürzen sollten.

Gestern hatten sie gemeinsam Kekse gebacken. Auf dem Tisch brannte die dicke rote Kerze und das Licht spiegelte sich in den Augen von Marie, Johann und Mia. Die kleinen Finger kneteten den Teig und schnell zog ein herrlicher Duft durch die Räume. Mehl und Zucker waren preiswert und Streusel hatte sie noch vorrätig. Im letzten Jahr war alles selbstverständlich gewesen und sie hatte, wie andere auch, bedenkenlos viel zu viel gekauft.

Während die Kleinen Herzen und Sterne ausstachen und sie aufs Backblech legten, dachte Reni, Zufriedenheit kann man nicht kaufen, egal wie voll der Einkaufwagen ist.

Auf dem Heimweg sah sie in hell erleuchtete Fensterscheiben. Vieles wirkte geschmacklos. Es blinkte pink oder blau, das waren keine schönen Farben. Warum war ihr das früher nicht aufgefallen. In den Schaufenstern gab es Christbäume in weiß oder schwarz. Die Preise an den Spielwaren waren unerschwinglich. Es war zum Verzweifeln. Die Kinder sollten nichts entbehren.

Langsam stieg sie die Treppen hinauf. Frau Gruber saß im Wohnzimmer und strickte einen Schal, die Kinder schliefen längst.

Sie sehen müde aus liebe Reni“, sagte sie. Energisch legte sie das Strickzeug aus den Händen. „Ich war vorhin auf dem Speicher. Meine Kinder sind lange aus dem Haus, aber vieles habe ich aufbewahrt.“ Ihr Blick zeigte auf zwei große Kartons, der schon bessere Tage gesehen hatten. Reni öffnete den Deckel. Zunächst wusste sie gar nichts damit anzufangen, aber dann erkannte sie einen alten Kaufladen. Freudig klopfte ihr Herz, sogar eine Registrierkasse mit einer Drehkurbel war dabei. Eine Waage und viel Zubehör. Als sie den Deckel des zweiten Kartons öffnete staunte sie nicht schlecht. Eine Eisenbahn, Schienen, Häuser usw.

Ein kleine Babypuppe schlief in ihrem Körbchen. Hemdchen, Jäckchen, sogar eine kleine Trinkflasche waren dabei.

Das Puppenbaby war ein wenig abgeliebt, das gehörte dazu und zeigte nur, dass die Puppenmama ihr Kind ins Herz geschlossen hatte.

Ich möchte, dass ihre Kinder ein schönes Weihnachtsfest haben. Der alte Plunder steht bei mir herum, niemand will ihn haben und so bekommt er noch einen Sinn. Es ist nicht neu, aber gut erhalten.“

Reni musste schlucken. Das waren wertvolle Geschenke und in Gedanken sah sie den nostalgischen Kaufladen aufgebaut und die hübsche Eisenbahn, die im Kreis um den Tannenbaum fuhr. Johann spielte im Kindergarten sehr gern mit dem Kaufladen und Marie liebte Eisenbahnen. Mia war noch klein, aber eine Puppe würde sie sofort in ihr Herz schließen.

Reni drückt Frau Gruber die Hände und musste schlucken.

Eigentlich kann ich das gar nicht annehmen, aber ich kann mir Stolz nicht leisten. Außerdem sind das wunderschöne Spielsachen. Die Kinder werden sich freuen und ich freue mich jetzt schon. Sie sind herzlich eingeladen. Wir feiern gemeinsam und sie müssen sehen, wie alles im Lichterglanz erstrahlt.

Glück kann man nicht käuflich erwerben, dachte Reni, während sie Frau Gruber fest in ihre Arme schloss.

© Geli Ammann

 

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